Der politische Soldat

Neonazistische Kontinuität seit 25 Jahren: Falko Schüßler aus Karlstein

Die Beschäftigung mit all den neonazistischen Cliquen und Banden, ihren Verästelungen in verschiedene Jugend(sub)kulturen und ihren fluktuierenden Massen, darf den Blick nicht darauf verstellen, dass in den Regionen Personen agieren, die ein hohes Maß an Kontinuität aufweisen. Sie sind nicht sozial an die Szene(n) gebunden, sie handeln aus ideologischer Überzeugung. Die oft kurzlebigen Gruppen sind für sie nur Mittel zum Zweck. Dies sind die Autoritäten und Kristallisationsfiguren im neonazistischen Netzwerk. Mit ihrer Erfahrung und ihren weitreichenden Kontakten halten sie den ›Laden‹ zusammen, sie geben die Strategien vor und nehmen eine Vorbildfunktion ein. Ein Beispiel aus der Region ist Falko Schüßler aus Karlstein bei Aschaffenburg.

Falko Schüßler bei einem Aufmarsch der Wiking-Jugend, 1994

Zwischen Partei, Kameradschaft und Wehrsportgruppe

Schüßlers Karriere begann vor genau 25 Jahren, im Jahr 1984. Familiär bereits rechts sozialisiert (seine Eltern waren in der NPD aktiv), trat der damals 19-jährige in die NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) und in die Wiking-Jugend (WJ) ein, jener Truppe, die Kinder und Jugendliche nach dem Vorbild der Hitlerjugend ideologisch und paramilitärisch drillte und die es als ihre Aufgabe sah, die Organisationen der extrem Rechten mit Führungspersonal zu versorgen. Aufgrund eines Unvereinbarkeitsbeschlusses zwischen JN und WJ musste Schüßler nach einigen Monaten die JN verlassen und schloss sich 1987 der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) an. In der FAP, die als Auffangbecken der 1983 verbotenen Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten (ANS/NA) des 1991 verstorbenen Neonaziführers Michael Kühnen diente, stieg er zum Landesvorsitzenden in Bayern auf. Anfang der 1990er Jahre zählte er zur ›kollektiven Führung‹ des Deutschen Freundeskreises, der sich als ›überparteiliches Aktionsbündnis‹ verstand und bemühte, die Aktivitäten verschiedener neonazistischer Gruppen und Parteien in Franken zu bündeln. Ergebnisse dieser Zusammenarbeit waren die Gründung der Zeitschrift Junges Franken, in der auch Schüßler schrieb, und der 1993 beschlossene Aufbau der Anti-Antifa Franken, der über das Postfach des FAP-Landesverbandes Bayern (Vorsitzender: Schüßler) abgewickelt wurde. Auf dem Gebiet der Anti-Antifa zeigte sich Schüßler recht engagiert. So nahm 1993 die Szene-Aktivistin Inger P. Kontakt zu antifaschistischen Gruppen in Frankfurt und Aschaffenburg auf, lancierte falsche Informationen über bevorstehende Neonazi-Treffen und brachte ein Flugblatt in Umlauf, welches zu einer antifaschistischen Kundgebung vor dem Hause Schüßler aufrief. Zur Rede gestellt gab P. zu, dass AntifaschistInnen in eine Falle gelockt werden sollten, um diese und ihre Arbeitsweise auszuspionieren. Als ihren Auftrag- und Ideengeber benannte sie Falko Schüßler. Die politische Heimat des Falko Schüßler jedoch blieb stets die Wiking-Jugend, der er als ›Horstleiter‹ aktiv war. Die WJ wurde 1994 verboten, ein Jahr später folgte das Verbot der FAP.

Danach kam die Zeit, in der die Kameradschaften bundesweit aus dem Boden sprossen – beinahe logisch, dass schon bald eine Kameradschaft Aschaffenburg unter der Führung von Falko Schüßler auf der Bildfläche erschien. Für die Kameradschaften der Umgebung war er ein gefragter Redner für weltanschauliche Schulungen und für sein Spezialthema »Die 10 Gebote des politischen Soldaten«.

Von seinem Faible für ›Wehrübungen‹ mochte er nicht lassen. Als die Polizei im September 2003 eine ›Wehrübung‹ nahe Heimbuchental (Spessart) auflöste, stellte sie unter den Teilnehmenden neben Schüßler auch führende Vertreter der Freien Nationalisten Rhein-Main (FNRM) fest. Seit dieser Zeit, 2003, waren die FNRM um Christian Müller und Marcel Wöll Aktionsfeld und Orientierungspunkt für Schüßler. Als um 2007 die FNRM und die Kameradschaften am Untermain in die NPD drängten, beschloss auch Schüßler, dessen Kameradschaft sich bislang deutlich von der NPD abgegrenzt hatte, einen zweiten Versuch in der Partei zu wagen.

Es begann in der NPD-Jugend und endet nun vorläufig in der Mutterpartei. Der Kreis des politischen Soldaten Falko Schüßler schließt sich nach 25 Jahren.

Ein zweiter Anlauf in der NPD

Die Aufnahme des Falko Schüßler in den Kreisverband Untermain der NPD war von Querelen begleitet. Der Kreisverband hatte sich zunächst gegen eine Aufnahme von Schüßler ausgesprochen, wurde aber vom Landesverband angewiesen, dem Aufnahmeantrag statt zu geben. Einzelne Funktionäre des Kreisverbandes und des bayerischen Landesverbandes fürchteten um ihre Pfründe, bezweifelten Schüßlers Loyalität zur Partei oder hielten ihm vor, sich wiederholt »zu seiner Feindschaft gegenüber der NPD bekannt« zu haben. Schüßler betonte die Notwendigkeit der Geschlossenheit von NPD und dem Spektrum der Kameradschaften und echauffierte sich über »zu wenig Idealisten in der Partei«, über »Pöstchenjägerei, Machtspielchen und Intrigen«. Er erhielt daraufhin Rückendeckung vom NPD-Landesvorstand.

Um die Streithähne zu trennen und allen die Pfründe zu sichern, wurde der Kreisverband Untermain in die Kreisverbände Aschaffenburg/Miltenberg und Main-Spessart aufgeteilt. Falko Schüßler beteiligte sich an Informationsständen der NPD im bayerischen Landtagswahlkampf 2008 in Aschaffenburg, ging aber gleich auf Konfrontation zur Parteispitze. Er zählte zu den UnterzeichnerInnen einer »Stellungnahme freier Kräfte zur ›Erklärung des NPD-Parteipräsidiums zur Beisetzung von Friedhelm Busse‹«, in dem harsche Kritik an den Parteioberen formuliert wurde. Nachdem in die Medien gelangte, dass auf der Beerdigung des am 23. Juli 2008 verstorbenen ehemaligen FAP-Vorsitzenden Friedhelm Busse in Passau im Beisein führender NPD-Funktionäre eine Hakenkreuzfahne dem Sarg beigelegt worden war, hatte das NPD-Präsidium dies in einer öffentlichen Erklärung als eine »politische Selbstinszenierung« bezeichnet, »die nicht im Einklang mit den Zielen der NPD steht«. Die Unterzeichnenden sahen darin eine Herabwürdigung des Friedhelm Busse, der »stets voller Stolz den Ehrenring der SS« getragen und »sich immer als politischer Soldat in der Tradition der SA« gesehen habe. 2009 wurde Schüßler zum Vorsitzenden des NPD-Kreisverbandes Aschaffenburg/ Miltenberg und in den Landesvorstand der NPD in Bayern gewählt.

Mein Kampf als Unternehmensphilosophie

Die Bezeichnung ›Propagandakompanie‹, dies lässt sich bereits erahnen, entstammt dem Nationalsozialismus. Die Propagandakompanien waren Verbänden der Wehrmacht und der Waffen-SS zugeteilt, ihre Aufgaben bestanden in der Kriegsberichterstattung und in der ›psychologischen Kriegsführung‹ zur Stärkung der Moral der eigenen Truppen und zur Beeinflussung des Feindes. Propagandakompanie ist jedoch auch der Name der Werbeagentur mit Sitz in Karlstein, die der selbständige Werbegrafiker Falko Schüßler betreibt. Die Vermischung von Politik und Geschäft wird auf der Homepage seiner Firma deutlich. Mit dem Leitsatz »Traditionen mit Zeitgeist verbinden, Widersprüche entdecken, visionär und revolutionär denken« umreißt Schüßler seine Unternehmensphilosophie und weiter: »Die Aufnahmefähigkeit der großen Masse ist nur sehr beschränkt, das Verständnis klein, dafür jedoch die Vergeßlichkeit groß. Aus diesen Tatsachen heraus hat sich jede wirkungsvolle Propaganda auf nur sehr wenige Punkte zu beschränken und diese schlagwortartig so lange zu verwerten, bis auch bestimmt der Letzte unter einem solchen Wort das Gewollte sich vorstellt.« Dieses Zitat, welches Schüßler dem 1810 verstorbenen deutschen Schriftsteller Johann Gottfried Seume zuschreibt, findet sich fast wortgleich in Hitlers Werk Mein Kampf.

Unter den Beispielen für sein kreatives Können befindet sich auf den Internetseiten der Propagandakompanie auch ein CD-Cover des extrem rechten Liedermacherduos Fylgien, doch das ist eine Ausnahme. Die Propagandakompanie ist kein Unternehmen einer extrem rechten Schattenwirtschaft. Ohne ein Wort über den Hintergrund des Betreibers und des Namens ›Propagandakompanie‹ zu verlieren, stellte eine Aschaffenburger Stadtzeitung das Unternehmen im Rahmen eines Firmengründungswettbewerbs vor. Laut seiner Referenzliste arbeitete Schüßler für knapp 50 namhafte Unternehmen – darunter Banken, Krankenkassen und wohltätige Organisationen – für die er unter anderem Plakate und Geschäftsberichte gestaltete. In der Referenzliste führt er auch die Stadt Frankfurt am Main an.

Als am Juli 2007 über 600 Neonazis mit Rufen wie »BRD Judenstaat, wir haben dich zum Kotzen satt« durch die Stadt Frankfurt am Main marschierten, steuerte Falko Schüßler den Lautsprecherwagen.

Die ›Hexe Ragna‹

In seiner Ehefrau Sigrid hat Falko Schüßler seit 1999 eine aktive Mitstreiterin gefunden. Sigrid Schüßler studierte Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte in Erlangen und wurde in Graz in Regie und Schauspiel ausgebildet. Die Journalistin Juliane Lang beschreibt sie auf dem Internetportal Netz-gegen-Nazis als Person, »die keineswegs dem Bild des dumpfen, ungebildeten Neonazis« entspreche: »Fließend spricht sie mehrere Fremdsprachen, beherrscht verschiedene Musikinstrumente und erwarb 1995 ihr Diplom als Schauspielerin.«

Mit dem Hinweis auf eine Nominierung zur »Top-Jungunternehmerin« bei einem Existenzgründungswettbewerb der Aschaffenburger Lokalpresse bewirbt Sigrid Schüßler ihr Unternehmen, das sich Theater Hollerbusch nennt. Mit diesem tourt sie seit 2004 als ›Hexe Ragna‹ durch Schulen, Kindergärten und tritt bei Veranstaltungen der NPD auf. So unter anderem auf dem Pressefest der NPD-Parteizeitung Deutsche Stimme im Jahre 2005 in Dresden, sowie auf dem ›NPD-Bayerntag‹ am 16. Juni 2007 nahe Schwandorf (Oberpfalz).

Im November 2008 übernimmt die nunmehr dreifache Mutter Sigrid Schüßler das Amt für Familie und Gesundheit im Landesvorstand der NPD in Bayern, ist zuständig für Kinderbetreuung bei Parteiveranstaltungen, für Schulungen und kreative Öffentlichkeitsarbeit. Sie ist Mitglied der NPD-Frauenorganisation Ring nationaler Frauen und der Redaktion der NPD-Parteizeitung Deutschen Stimme. Nach einer antifaschistischen Kampagne gegen ihr Theater Hollerbusch im Jahre 2007 gründete sie unter dem Namen Jeanne D. eine »Selbsthilfegruppe für politisch verfolgte Frauen in Zeiten der BRD«. Jeanne D. steht für ›Jeanne Deutschland‹ und ist angelehnt ist an die französische Nationalheldin Jeanne D’Arc, dessen deutsches Adäquat Sigrid Schüßler in einem Akt grotesker Selbsterhöhung gerne sein würde. Die Mimin inszeniert sich als Opfer und versucht, gemeinsam mit ihrem Mann, eine negative Berichterstattung mit Prozessdrohungen und Klagen zu unterbinden. Aus nachvollziehbarem Grund: Mit dem Theater Hollerbusch und der Propagandakompanie steht die Familie Schüßler mitten im (wirtschaftlichen) Leben. Nachdem antifaschistische Gruppen und die Gewerkschaft Erziehung Wissenschaft (GEW) im Jahre 2007 über das Theater Hollerbusch informierten, geriet Sigrid Schüßler offensichtlicht unter Druck. Auftritte des Theaters außerhalb extrem rechter Veranstaltungen sind seitdem nicht mehr feststellbar.

Die Stadt Frankfurt und viele andere Unternehmen hingegen haben bis heute keine erkennbaren Anstrengungen unternommen, dagegen vorzugehen, dass sie auf der Referenzliste der Propagandakompanie erscheinen und darüber zum Werbeträger einer Firma werden, welches von einem Neonazi geleitet wird und welches als Unternehmensphilosophie ein Zitat aus Mein Kampf präsentiert.

Kontinuität mit kleinen Schwachstellen

Die Familie Schüßler kann in vielfacher Hinsicht als Beispiel dienen. Als Beispiel dafür, wie sich ein neonazistischer Funktionär seit 25 Jahren im Geflecht der Parteien und Kameradschaften bewegt, immer im Dienste der Sache und doch bissig darauf bedacht, seine Position zu wahren und im Hierarchiegefüge oben zu stehen. Als Beispiel dafür, mit welcher Selbstverständlichkeit sich selbst exponierte Neonazis im ›ganz normalen‹ Business einrichten (können) und mit welcher – teils aufrichtigen, teils aufgesetzten – Entrüstung diese reagieren, wenn ihnen dieser Raum streitig gemacht wird.

Aber auch als Beispiel dafür, dass selbst die unermüdlichen Bewegungsarbeiter nicht unantastbar sind. Dies zeigt der Widerstand des NPD-Kreisverbandes Untermain gegen die Aufnahme von Falko Schüßler im Jahr 2007.

Den politischen Soldaten schert solches Gezank wenig. Er hat seinen Platz in der Bewegung, heute in der NPD und morgen woanders.

Dieser Artikel erschien im Dezember 2009 in der Publikation ›Dunkelfeld. Recherchen in extrem rechten Lebenswelten rund um Rhein-Main‹, [Hrsg.] argumente. netzwerk antirassistischer bildung e.V., Bildungswerk Anna Seghers e.V. aus Wiesbaden, Antifaschistisches Infobüro Rhein-Main. Berlin, 2009

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