Rechtsterroristische Bestrebungen in Hessen Teil 1: Der Technische Dienst

Hessen gilt seit Jahren als eines der ruhigsten Bundesländer hinsichtlich extrem rechter Aktivitäten, Straf- und Gewalttaten. Dies versucht die konservative Landesregierung alljährlich mithilfe ihrer Statistiken zu unterstreichen. Der Mord an Halit Yozgat im April 2006 in Kassel und die vermeintlichen Kontakte des NSU zu dem in Hessen lebenden Rechtsterroristen Manfred Roeder haben jedoch das scheinbar beschauliche Hessen ins NSU-Licht rücken lassen. Ein Blick in die Geschichte macht zudem deutlich: in Hessen lassen sich schon seit Jahrzehnten militante und terroristische Aktivitäten beobachten.

Eine Dokumentation militanter und rechtsterroristischer Bestrebungen in Hessen in 8 Teilen

Teil 1: Ein Technischer Dienst als Partisanentruppe gegen den Kommunismus

Bereits in den ersten Jahren der jungen Bundesrepublik agierte in Hessen mit dem „Technischem Dienst“ (TD) eine terroristische Organisation, die von alten NS-Offizieren durchsetzt war. Der 1950 in Frankfurt gegründete TD war eine klandestine Unterorganisation des antikommunistischen „Bundes deutscher Jugend“ (BDJ).

Während sich der BDJ (nach Eigenaussagen 17.000 Mitglieder) nach außen in die Tradition der bündischen Jugend stellte, bereiteten sich die etwa 130 Mitglieder des TD auf einen Partisanenkampf vor. Diesen sollten die zahlreich im TD vertretenen ehemaligen Offiziere der „Luftwaffe des Heeres“ und der „Waffen-SS“ im Falle einer sozialistischen Regierungsübernahme oder eines Einmarsches sowjetischer Armeen in die BRD starten. Geleitet wurde der TD von Paul Lüth, einem ehemaligen Mitglied der „Waffen-SS“. Der Auftrag zum Aufbau des TD stammte jedoch vom US-amerikanischen CIA. Dieser versorgte den TD mit Geld (bis zu 50.000 Mark monatlich), Waffen und Bomben zur Durchführung von Brückensprengungen und Sabotageakten. Auch zahlreiche namhafte Firmen, wie Bosch, Salamander, Reemtsma, Coca-Cola und Sarotti sollen laut Geheimdienstangaben zu den Geldgebern gehört haben. Gleiches gilt für das Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen.

Bekannt wurden die Vorhaben des TD, als sich 1952 der ehemalige SS-Hauptsturmführer, Hans Otto, der Frankfurter Polizei als Mitglied des TD offenbarte. Im Zuge der darauf folgenden Hausdurchsuchungen fand die Polizei neben einem Großbestand an Waffen auch Mordlisten. Die Mehrzahl der darauf zu findenden Personen waren führende KPD- und SPD-Mitglieder. So der damalige SPD-Parteichef Erich Ollenhauer und der hessische Innenminister Heinrich Zinnkann.

Wie ernst es der TD gemeint hatte, verdeutlichten Waffenlager, in denen Maschinengewehre, Granaten, Artilleriegeschütze und Sprengstoff gefunden wurde. In Waldmichelbach (Hessischer Odenwald) hatte der TD Wehrsport betrieben und Schießschächte in Bergwerksstollen angelegt. In der 1953 vom hessischen Innenminister erlassenen Verbotsverfügung verwies Zinnkann auch auf rege Kontakte des BDJ/TD zu BRD-Institutionen: „Aus den Beweisurkunden (…) kann wohl mit Sicherheit behauptet werden, dass kein anderer Jugendverband in der Bundesrepublik über so ausgezeichnete Beziehungen zu den höchsten Staatsdienststellen, Wirtschaftsverbänden und frühen Militärs verfügt wie der BDJ“.

Auch das hessische Landesamt für Verfassungsschutz (LfVH) wusste von den Aktivitäten des TD noch ehe Otto sich den Behörden stellte. Das LfVH war jedoch nicht die einzige Verfassungsschutzbehörde, der der TD bekannt war. Aus Akten des LfVH ging hervor, dass der BDJ damals einen „regen Gedankenaustausch mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln“ unterhielt. „Anscheinend wird die BDJ-Führung vom Bundesamt für Verfassungsschutz als organisierte Nachrichtenquelle mit einem eigenen Netz unterhalten“, so der hessische Verfassungsschutz weiter. Und der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz stellte im Verlauf der Ermittlungen fest, dass die vom TD verwendeten Personenblätter der gefundenen Mordliste „in Anlage und Aufbau jenen gleichen, wie sie das Bundesamt für Verfassungsschutz verwendet“.

Solche Erkenntnisse, wie auch dass das „Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen“ 1952 zu den Geldgebern des BDJ/TD zählte, dürften dazu beigetragen haben, dass die Bundesanwaltschaft die Strafverfolgung der TD-Funktionäre im Jahr 1955 aussetzte.

Das offensichtliche Wissen der Verfassungsschutzbehörden über den BDJ/TD, wie auch über zahlreiche andere rechtsterroristische Gruppierungen, die in der Folgezeit immer wieder unbehelligt agieren konnten, bringt Fabian Virchow (Forschungsstelle Rechtsextremismus/Neonazismus an der FH Düsseldorf) zu der Einschätzung, dass „die Geschichte des rechten Terrors in Deutschland von Anfang an auch eine Geschichte der Geheimdienste war“.

Im TD sahen die beteiligten Beamten des von Beginn an stark vom Antikommunismus geprägten Verfassungsschutzes offensichtlich eine nützliche Organisation zur Verteidigung der BRD im Kalten Krieg.

Weitere Artikel zum Thema:

Artikel im AIB (Ausgabe 94, 1.2012) zu Geheimdiensten und antikommunistischen „Partisanen“ in der BRD:
https://www.antifainfoblatt.de/artikel/geheimdienste-und-antikommunistische-partisanen-in-der-brd

Beschlagnahmte Waffen bei einer Bundesdeligiertentagung des BDJ in Frankfurt am 14. Dezember 1952

Beschlagnahmte Waffen bei einer Bundesdeligiertentagung des BDJ in Frankfurt am 14. Dezember 1952

"Informationsdienst" des BDJ, Ausgabe von 1951

„Informationsdienst“ des BDJ, Ausgabe von 1951

 

Anmerkung:

Hessen gilt seit Jahren als eines der ruhigsten Bundesländer hinsichtlich extrem rechter Aktivitäten, Straf- und Gewalttaten. Dies versucht die konservative Landesregierung alljährlich mithilfe ihrer Statistiken zu unterstreichen. Der Mord an Halit Yozgat im April 2006 in Kassel und die vermeintlichen Kontakte des NSU zu dem in Hessen lebenden Rechtsterroristen Manfred Roeder haben jedoch das scheinbar beschauliche Hessen ins NSU-Licht rücken lassen. Ein Blick in die Geschichte macht zudem deutlich: in Hessen lassen sich schon seit Jahrzehnten militante und terroristische Aktivitäten beobachten.

Eine Dokumentation militanter und rechtsterroristischer Bestrebungen in Hessen in mehreren Teilen

Teil 1: Der Technische Dienst http://www.infobuero.org/2013/06/rechtsterroristische-bestrebungen-in-hessen-teil-1-der-technische-dienst/

Teil 2: Manfred Roeder http://www.infobuero.org/2013/07/rechtsterroristische-bestrebungen-in-hessen-teil-2-manfred-roeder/

Teil 3: Die Radikalisierung der extremen Rechten in den 1970ern  http://www.infobuero.org/2013/09/rechtsterroristische-bestrebungen-in-hessen-teil-3-die-radikalisierung-der-extremen-rechten-in-den-1970ern/

Teil 4: Die Hepp-Kexel-Gruppe http://www.infobuero.org/2014/02/rechtsterroristische-bestrebungen-in-hessen-teil-4-die-hepp-kexel-gruppe/

Teil 5: Peter Naumann http://www.infobuero.org/2014/10/rechtsterroristische-bestrebungen-in-hessen-teil-5-peter-naumann/

Teil 6: Die 1990er http://www.infobuero.org/2015/01/rechtsterroristische-betrebungen-in-hessen-teil-6-die-1990er/