Rechtsterroristische Bestrebungen in Hessen Teil 2: Manfred Roeder

Als Ausdruck der frühen Radikalisierung der wohl zentralen Figuren des NSU haben Medien immer wieder auf die Teilnahme von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt, Ralf Wohlleben und André Kapke am Prozess gegen Manfred Roeder, 1996 in Erfurt, verwiesen. Roeder, damals wegen eines Farbanschlags auf die so genannte Wehrmachtsausstellung angeklagt, kann aufgrund seiner nunmehr über 40 Jahre währenden Aktivitäten in der Neonaziszene als eine der namhaftesten Personen der militanten Neonaziszene bezeichnet werden.

Manfred Roeder 1996 in Jena Quelle: apabiz e.V. www.apabiz.de

Manfred Roeder 1996 in Jena
Quelle: apabiz e.V.

Für viele militante Neonazis erweist sich Roeder, aufgrund seiner Erfahrung und seiner umfangreichen Kontakte zur militanten Szene (z.B. zur Wehrsportgruppe Hoffmann) im In- und Ausland, bis heute als eine wichtige Anlaufstation.

Dies galt – über die Teilnahme am Erfurter Prozess 1996 hinaus – offenbar auch für den NSU. Im Jahr 1999 sollte der NSU-Unterstützer Carsten Schultze für die drei Flüchtigen bei Roeder Fluchtmöglichkeiten ins Ausland erfragen. Bekanntermaßen hatte das Trio dieses Vorhaben schließlich verworfen. Mitglieder des Thüringer Heimatschutzes, in dem Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe vor ihrem Gang in die Anonymität aktiv waren, verteilten im Jahr 2000 eine antisemitische Hetzschrift von Roeder.

Mitglieder des Thüringer Heimatschutz entrollen 1996 im Gericht in Jena ein Transparent Quelle: apabiz e.V. www.apabiz.de

Mitglieder des Thüringer Heimatschutz entrollen 1996 im Gericht in Jena ein Transparent
Quelle: apabiz e.V.

Roeders Ansehen im Kreise der militanten Neonazisszene speist sich auch aus dessen Erleben des Nationalsozialismus. So wurde Roeder (Jahrgang 1929) bereits in frühen Jahen durch die Erziehung in einer Napola (Nationalpolitische Erziehungsanstalt) mit dem nationalsozialistischen Weltbild erzogen. 1945 nahm Roeder als 16-jähriger an der Schlacht um Berlin teil.

Nach dem Krieg wurde Roeder zunächst Mitglied der CDU. Von dieser enttäuscht, verließ er 1970 die Partei, knüpfte Kontakte zu militanten Gruppen (u.a. dem Ku-Klux-Klan) im Ausland und gründete die Deutsche Bürgerinitiative (DBI) im südhessischen Bensheim. In der Kampfgruppe Roeder sammelte er militante Neonazis um sich. Ihre ersten Handlungen waren Farbanschläge auf Erotikmessen, mit denen sich die Gruppe gegen die so genannte „Sex-Welle“ der 1970er zur Wehr setzen wollte.

Aufgrund zahlreicher Anklagen wegen Körperverletzung, Widerstand gegen die Staatsgewalt und Leugnung des Holocausts drohte Roeder alsbald eine Haftstrafe. Dieser entzog sich Roeder 1977 durch die Flucht ins Ausland. Nach seiner Rückkehr 1980 baute Roeder die Deutschen Aktionsgruppen (DAG) auf. Diese verübten u.a. Brand- und Sprengstoffanschläge auf Asylbewerber_innenheime sowie auf eine Ausstellung zum Gedenken an die Verbrechen im KZ Auschwitz.

Nachdem es bei diversen Anschlägen auf Asylbewerber_innenheime bereits Verletzte gegeben hatte, wurden 1980 bei einem weiteren Anschlag in Hamburg zwei Menschen ermordet. Roeder, der im gleichen Jahr in einem Rundbrief der DBI offen den Kampf im Untergrund propagierte, wurde daraufhin wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung zu 13 Jahren Haft verurteilt. Dass Roeder nach 2/3 der abgebüsten Haftstrafe wegen positiver Sozialprognose entlassen wurde, lässt einige Fragen hinsichtlich der Bewertungskritierien des Gerichtes offen.

Denn Roeder nahm postwendend den politischen Kampf wieder auf. 1993 gründete er das Deutsch-Russische Gemeinschaftsnetzwerk, mittels dem so genannte „Volksdeutsche“ bei Kaliningrad angesiedelt werden sollten.

Als Skandal muss Roeders Vortrag an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg, im Jahr 1995, bewertet werden.

Ab 1997 folgte Roeder dem Ruf der wiedererstarkten NPD, für die er 1998 als Bundestagskandidat in Mecklenburg-Vorpommern kandidierte. Auf einem Parteitag rief Roeder offen zum Umsturz Deutschlands auf. Solche medienwirksamen, aber auch strafrechtlich relevanten Auftritte, brachten Roeder zwar einerseits immer wieder die Anerkennung der militanten Szene, andererseits musste Roeder jedoch immer wieder Haftstrafen absitzen. Einer Haftstrafe 1999 in Mecklenburg-Vorpommern (u.a. wegen Volksverhetzung) folgten 2004 und 2005 weitere Verurteilungen in Frankfurt, Gießen und Treysa.

Seinen Ruhesitz hat Roeder im oberhessischen Schwarzenborn (Knüll, Schwalm-Eder-Kreis) gefunden. Auf dem dortigen Reichshof finden noch immer Schulungen für die neonazistische Szene, wie auch Tagungen und Sonnenwendfeiern mit internationalen Gästen statt.

Bemerkenswert an Roeders politischem Werdegang ist jedoch nicht nur dessen lange Zeit des Agierens im Bereich der militanten Neonaziszene, sondern auch der fragwürdige Umgang der staatlichen Behörden mit Roeder und dessen Gruppen. Denn Roeder konnte, trotz zahlreicher Verurteilungen, lange Zeit nahezu ohne ernsthaften behördlichen Gegenwind weitermachen. Dies gilt auch für die Zeit nach Roeders Kampfansagen und dessen Flucht ins Ausland. So hätte Roeder aufgrund seiner im Ausland verfassten Rundbriefe der DAG lokalisiert werden können. Höchst fragwürdig erscheint auch die frühzeitige Entlassung Roeders. Völlig unverständlich bleibt zudem, warum die DBI über viele Jahre als gemeinütziger Verein agieren konnte, obwohl Roeder in den Mitteilungen des Vereins offen den Kampf im Untergrund propagiert hatte.

Uwe Mundlos, Uwe Böhnhard und spätere Unterstützer des NSU 1996 vor dem Gerichtsgebäude in Jena, wo sich Manfred Roeder verantworten muss Quelle: apabiz e.V. www.apabiz.de

Uwe Mundlos, Uwe Böhnhard und spätere Unterstützer des NSU 1996 vor dem Gerichtsgebäude in Jena, wo sich Manfred Roeder verantworten muss
Quelle: apabiz e.V.

Unter dieser Perspektive stellt sich – auch mit Blick auf den Bezug des NSU zu Roeder – die Frage, ob sich Sympathisant_innen von Roeder und dessen Kampfformen nicht eher ermutigt gesehen haben, auf dessen Pfaden zu wandeln.

Anmerkung:

Hessen gilt seit Jahren als eines der ruhigsten Bundesländer hinsichtlich extrem rechter Aktivitäten, Straf- und Gewalttaten. Dies versucht die konservative Landesregierung alljährlich mithilfe ihrer Statistiken zu unterstreichen. Der Mord an Halit Yozgat im April 2006 in Kassel und die vermeintlichen Kontakte des NSU zu dem in Hessen lebenden Rechtsterroristen Manfred Roeder haben jedoch das scheinbar beschauliche Hessen ins NSU-Licht rücken lassen. Ein Blick in die Geschichte macht zudem deutlich: in Hessen lassen sich schon seit Jahrzehnten militante und terroristische Aktivitäten beobachten.

Eine Dokumentation militanter und rechtsterroristischer Bestrebungen in Hessen in mehreren Teilen

Teil 1: Der Technische Dienst http://www.infobuero.org/2013/06/rechtsterroristische-bestrebungen-in-hessen-teil-1-der-technische-dienst/

Teil 2: Manfred Roeder http://www.infobuero.org/2013/07/rechtsterroristische-bestrebungen-in-hessen-teil-2-manfred-roeder/

Teil 3: Die Radikalisierung der extremen Rechten in den 1970ern  http://www.infobuero.org/2013/09/rechtsterroristische-bestrebungen-in-hessen-teil-3-die-radikalisierung-der-extremen-rechten-in-den-1970ern/

Teil 4: Die Hepp-Kexel-Gruppe http://www.infobuero.org/2014/02/rechtsterroristische-bestrebungen-in-hessen-teil-4-die-hepp-kexel-gruppe/

Teil 5: Peter Naumann http://www.infobuero.org/2014/10/rechtsterroristische-bestrebungen-in-hessen-teil-5-peter-naumann/

Teil 6: Die 1990er http://www.infobuero.org/2015/01/rechtsterroristische-betrebungen-in-hessen-teil-6-die-1990er/